Chargencodierung: Bedeutung, Verfahren und gesetzliche Anforderungen
- ninaliebig
- vor 16 Stunden
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Wenn Sie jemals ein Produkt zurückrufen mussten oder wissen wollten, woher ein bestimmtes Teil stammt, haben Sie die Bedeutung der Chargencodierung bereits erlebt. In modernen Produktionsumgebungen ist die lückenlose Rückverfolgbarkeit nicht nur eine Frage der Qualität – sie ist oft gesetzlich vorgeschrieben. Chargencodierung bildet das Fundament dieser Nachvollziehbarkeit und sichert gleichzeitig Verbraucher wie Hersteller ab.
Was bedeutet Chargencodierung?
Eine Charge bezeichnet eine Gruppe von Produkten, die unter identischen Bedingungen in einem zusammenhängenden Produktionsprozess hergestellt wurden. Die Chargencodierung ist der Vorgang, bei dem dieser Gruppe ein eindeutiger Code zugewiesen wird – meist bestehend aus Zahlen, Buchstaben oder einer Kombination daraus. Dieser Code wird direkt auf der Verpackung oder dem Produkt selbst angebracht.
Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet „aufladen" oder „beladen". In der industriellen Praxis ermöglicht die Chargennummer, dass jedes einzelne Produkt seiner Herstellungsgruppe zugeordnet werden kann. Anders als bei der Serialisierung, bei der jeder Artikel eine individuelle Nummer erhält, teilen alle Produkte einer Charge denselben Code.
Eine typische Chargennummer enthält verschiedene Informationen: das Produktionsdatum, den Herstellungsort, eine fortlaufende Nummer und gegebenenfalls Qualitätskennzeichen. Obwohl es keinen universellen Standard gibt, orientieren sich viele Unternehmen an den Richtlinien des GS1-Systems. Häufig wird die Kennzeichnung mit dem Buchstaben „L" (für Los oder Lot) eingeleitet, gefolgt von der spezifischen Kombination.

Warum ist Chargencodierung so wichtig?
Die Bedeutung der Chargencodierung liegt in drei zentralen Bereichen: Produktsicherheit, Qualitätskontrolle und Effizienz im Betrieb. Stellen Sie sich vor, ein Lebensmittelhersteller entdeckt eine Verunreinigung in einem seiner Produkte. Ohne Chargencodierung müsste das Unternehmen im Extremfall alle Produkte vom Markt nehmen – ein enormer wirtschaftlicher Schaden. Mit korrekter Kennzeichnung lässt sich genau identifizieren, welche Produktionscharge betroffen ist, und nur diese wird zurückgerufen.
Für die Rückverfolgbarkeit bedeutet das: Hersteller können jeden Schritt vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt dokumentieren. Tritt ein Problem auf, lässt sich schnell ermitteln, wo die Ursache liegt – sei es bei einem bestimmten Lieferanten, einer Maschine oder einem Produktionszeitpunkt. Diese Transparenz schützt nicht nur Verbraucher, sondern minimiert auch Haftungsrisiken für Unternehmen.
Darüber hinaus optimiert die Chargenverwaltung die gesamte Lieferkette. Unternehmen können mit dem FIFO-Prinzip (First In, First Out) arbeiten und sicherstellen, dass ältere Chargen zuerst ausgeliefert werden. Das reduziert Lagerverluste durch Verfall und verbessert die Bestandsverwaltung erheblich. Kürzere Ausfallzeiten bei der Produktion sind ein weiterer positiver Effekt, da Probleme schneller lokalisiert und behoben werden können.

Gesetzliche Anforderungen: Wer muss codieren?
In vielen Branchen ist die Chargencodierung keine Option, sondern Pflicht. Die gesetzlichen Grundlagen sind klar definiert und unterscheiden sich je nach Industrie.
Lebensmittelindustrie: Strikte Vorgaben für Sicherheit
Die EU-Verordnung 178/2002 bildet die rechtliche Basis. Artikel 18 verpflichtet jedes Unternehmen der Lebensmittelkette zur lückenlosen Rückverfolgbarkeit. Das bedeutet konkret: Hersteller müssen dokumentieren, von wem sie Rohstoffe bezogen haben und an wen sie Produkte weitergeben. Die Informationen müssen unverzüglich zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis verlangen Behörden eine Bereitstellung meist innerhalb von 24 Stunden. Die Dokumentationspflicht gilt mindestens fünf Jahre ab Herstellungs- oder Lieferdatum, manche Branchen haben jedoch abweichende Sonderregelungen.
Pharmaindustrie: Höchste Sicherheitsstandards
Hier gelten noch strengere Anforderungen. Die EU-Richtlinie 2011/62 schreibt für Arzneimittel eine vollständige Serialisierung vor, um Fälschungen zu verhindern. Zusätzlich gelten die Vorgaben der Good Manufacturing Practice (GMP) sowie Richtlinien der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Jede Produktionscharge muss exakt dokumentiert werden – von den verwendeten Rohstoffen bis zu den durchgeführten Qualitätstests. Aufbewahrungsfristen liegen für Standardprodukte mindestens ein Jahr über das Verfallsdatum hinaus, jedoch mindestens fünf Jahre. Für bestimmte Produktgruppen können sie bis zu 30 Jahre betragen.
Medizinprodukte: Neue Regelungen durch MDR
Die Medical Device Regulation (MDR) fordert seit Mai 2020 die Kennzeichnung mit UDI (Unique Device Identification). Diese standardisierte Kennzeichnung enthält unter anderem die Chargennummer und ermöglicht die Rückverfolgbarkeit über die europäische Datenbank EUDAMED. Die Aufbewahrungsfristen liegen hier oft bei 10 bis 15 Jahren oder länger.
Kosmetik: Schutz vor allergischen Reaktionen
Auch Kosmetikprodukte unterliegen der EU-Kosmetikverordnung 1223/2009, die eine verpflichtende Chargenkennzeichnung vorschreibt. Hersteller müssen nachweisen können, welche Inhaltsstoffe verwendet wurden und unter welchen Bedingungen die Produktion erfolgte.
Fehlt die vorgeschriebene Kennzeichnung, drohen empfindliche Konsequenzen: Hohe Bußgelder, Verkaufsverbote oder im Extremfall sogar strafrechtliche Verfolgung sind möglich. Die Nichteinhaltung gefährdet nicht nur das Unternehmen, sondern kann im Ernstfall auch Verbraucher schädigen.

Welche Verfahren kommen zum Einsatz?
Die Anbringung von Chargencodes auf Produkten erfordert je nach Material, Produktionsgeschwindigkeit und Anforderungen unterschiedliche Drucktechnologien. Jedes Drucksystem hat spezifische Stärken und Einsatzgebiete.
Continuous Inkjet (CIJ): Bewährt für hohe Geschwindigkeiten
Diese bewährte Technologie erzeugt einen kontinuierlichen Tintenstrahl, der durch piezoelektrische Elemente in feine Tröpfchen aufgeteilt wird. CIJ-Drucker arbeiten berührungslos und eignen sich hervorragend für hohe Geschwindigkeiten auf Produktionslinien. Sie können auf nahezu allen Oberflächen drucken – von Glas über Kunststoff bis hin zu Metall. Besonders beschichtete und glatte Oberflächen lassen sich gut kennzeichnen. Die Tinte trocknet sehr schnell, was ideal für bewegte Fertigungsumgebungen ist. Allerdings ist der Wartungsaufwand höher als bei anderen Verfahren, und es werden Lösungsmittel benötigt.
Thermal Inkjet (TIJ): Wartungsarm und präzise
Beim TIJ-Verfahren werden Tintentröpfchen durch Erhitzung auf bis zu 300 Grad Celsius erzeugt und präzise auf das Material aufgebracht. Diese Technologie ist besonders wartungsarm, da die Druckmodule austauschbar sind und kaum Benutzerschulung erfordern. TIJ-Systeme bieten eine hervorragende Druckqualität und sind umweltfreundlicher als CIJ-Drucker. Sie eignen sich ideal für poröse Substrate wie Kartons und Faltschachteln, können mittlerweile aber auch auf glatten Oberflächen arbeiten. Der Druck erfolgt ebenfalls berührungslos, wodurch auch unebene Materialien problemlos gekennzeichnet werden können.
Laserkennzeichnung: Dauerhaft und ohne Verbrauchsmaterialien
Hier verändert ein gebündelter Lichtstrahl die Materialoberfläche durch Abtrag, Gravur oder Farbwechsel. Es gibt verschiedene Lasertypen – CO₂-Laser für organische Materialien, Faserlaser für Metalle und Kunststoffe oder UV-Laser für empfindliche Oberflächen. Der große Vorteil: Es werden keine Verbrauchsmaterialien wie Tinte benötigt, und die Markierungen sind dauerhaft und wischfest. Lasersysteme sind besonders wartungsarm und eignen sich für hohe Taktraten. Allerdings entstehen bei manchen Materialien gesundheitsschädliche Dämpfe, die eine Absaugung erfordern. Zudem sind die Anschaffungskosten höher als bei Tintenstrahllösungen.
Thermotransferdruck (TTO): Ideal für Etikettierung
Bei diesem Verfahren überträgt ein beheizter Druckkopf Farbpigmente von einem Farbband auf das Substrat – typischerweise Etiketten oder Folienverpackungen. TTO-Systeme liefern hochauflösende Drucke und eignen sich besonders für Etikettieranwendungen. Die Druckqualität ist gleichbleibend hoch, und die Kennzeichnungen sind haltbar.
Die Wahl der richtigen Technologie hängt von mehreren Faktoren ab: Welches Material wird bedruckt? Wie schnell läuft die Produktionslinie? Welche Haltbarkeit muss die Kennzeichnung haben? Moderne Kennzeichnungssysteme können oft mehrere Technologien kombinieren und bieten integrierte Qualitätsprüfung durch Kamerasysteme, die direkt nach dem Druck die Lesbarkeit verifizieren.
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In welchen Branchen kommt Chargencodierung zum Einsatz?
Die Anwendungsbereiche der Chargencodierung sind vielfältig und ziehen sich durch zahlreiche Industriezweige. Jede Branche hat dabei spezifische Anforderungen an die Kennzeichnungslösung.
Lebensmittel und Getränke: Verbraucherschutz im Fokus
Hier ist die Kennzeichnung mit Chargennummer und Mindesthaltbarkeitsdatum Standard. Von Milchprodukten über Fertiggerichte bis hin zu Getränken – jedes verpackte Lebensmittel muss eindeutig identifizierbar sein. Die Kennzeichnung erfolgt direkt auf der Verpackung, auf Verschlüssen oder mittels Etikettierer. Besonders bei Rückrufaktionen wegen Verunreinigungen zeigt sich der Wert einer präzisen Chargencodierung.
Pharmazeutische Industrie: Lückenlose Dokumentation
Medikamente gehören zu den am strengsten regulierten Produkten. Jede Tablette, jede Ampulle lässt sich über die Chargennummer bis zu den verwendeten Wirkstoffen zurückverfolgen. Die Kennzeichnung umfasst neben der Chargennummer auch Verfallsdaten und bei verschreibungspflichtigen Medikamenten zusätzliche Serialisierungscodes zur Fälschungssicherheit.
Kosmetikindustrie: Qualität und Sicherheit garantieren
Von Cremes über Shampoos bis zu Parfüms – auch Kosmetikprodukte müssen chargenweise gekennzeichnet sein. Das schützt Verbraucher vor allergischen Reaktionen durch fehlerhafte Chargen und ermöglicht gezielte Rückrufe. Die Kennzeichnung erfolgt meist auf der Verpackung oder direkt auf dem Behälter.
Automobilindustrie: Sicherheitsrelevante Komponenten identifizieren
In der Fahrzeugproduktion werden Tausende von Komponenten verbaut. Von Bremsbelägen über Airbags bis zu elektronischen Steuergeräten – sicherheitsrelevante Teile müssen über Chargennummern identifizierbar sein. Das ermöglicht gezielte Rückrufaktionen bei Fertigungsfehlern und schützt Menschenleben.
Chemie- und Baustoffindustrie: Beständige Kennzeichnung gefordert
Farben, Lacke, Klebstoffe, Düngemittel oder Zement – auch hier ist die Rückverfolgbarkeit wichtig. Bei Qualitätsproblemen oder Unverträglichkeiten lässt sich schnell ermitteln, welche Charge betroffen ist. Die Kennzeichnung muss oft beständig gegen aggressive Umgebungen sein.
Elektronik und Technik: Präzision in der Fertigung
Von Halbleitern über Batterien bis zu kompletten Baugruppen – die Rückverfolgbarkeit in der Elektronikfertigung hilft bei der Qualitätskontrolle und ermöglicht schnelle Reaktionen bei Bauteilfehlern. Besonders in der Luft- und Raumfahrt gelten höchste Anforderungen.
Jede Branche hat individuelle Anforderungen an die Chargencodierung. Entdecken Sie unsere branchenspezifischen Lösungen und profitieren Sie von optimierten Kennzeichnungsprozessen.

Der Zusammenhang mit Qualitätssicherung
Chargencodierung ist mehr als nur eine Kennzeichnung – sie ist integraler Bestandteil moderner Qualitätsmanagementsysteme. Die Norm DIN EN ISO 9001:2015 fordert in Kapitel 7.5.3 explizit die Rückverfolgbarkeit von Produkten über den gesamten Herstellungsablauf. Unternehmen müssen dokumentieren können, welche Rohstoffe wann von welchem Lieferanten bezogen wurden, unter welchen Bedingungen die Verarbeitung erfolgte und an welche Kunden die Produkte ausgeliefert wurden.
Diese lückenlose Dokumentation ermöglicht nicht nur die Reaktion auf Probleme, sondern auch die kontinuierliche Verbesserung. Durch die Analyse von Chargendaten lassen sich Muster erkennen: Gibt es Qualitätsschwankungen bei bestimmten Lieferanten? Treten Probleme zu bestimmten Tageszeiten oder bei bestimmten Maschinen auf? Solche Erkenntnisse helfen, Produktionsprozesse zu optimieren und Fehlerquellen systematisch zu eliminieren.
Moderne ERP-Systeme integrieren die Chargenverwaltung nahtlos in die Unternehmensprozesse. Von der Wareneingangserfassung über die Produktion bis zur Auslieferung werden alle relevanten Daten automatisch dokumentiert. Diese Integration minimiert manuelle Fehler und gewährleistet, dass im Ernstfall alle Informationen sofort verfügbar sind.
Moderne Technologien: Von Barcodes bis RFID
Die digitale Erfassung von Chargencodes hat die Rückverfolgbarkeit revolutioniert. Klassische 1D-Barcodes können grundlegende Druckdaten wie die Chargennummer codieren und sind günstig in der Erzeugung. QR-Codes bieten deutlich mehr Speicherkapazität und können neben der Chargennummer auch Zusatzinformationen wie Herstellungsdatum, Standort oder Qualitätsparameter aufnehmen. Ein einfacher Scan mit dem Smartphone genügt, um auf umfangreiche Produktinformationen zuzugreifen.
RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) geht noch einen Schritt weiter. RFID-Tags können kontaktlos ausgelesen werden, auch wenn sie nicht sichtbar sind oder sich in Bewegung befinden. Das ermöglicht automatische Bestandserfassungen und lückenlose Tracking-Systeme entlang der gesamten Lieferkette. Besonders in Lagerhaltung und Logistik bietet RFID enorme Effizienzvorteile.
Die Kombination aus präziser Kennzeichnungstechnologie und digitaler Erfassung schafft die Grundlage für Smart Manufacturing und Industrie 4.0. Produkte kommunizieren ihre Herkunft, ihren Status und ihre Anforderungen automatisch mit den Produktions- und Logistiksystemen. Diese Vernetzung führt zu einer deutlich höheren Nutzung vorhandener Kapazitäten und reduziert Verschwendung.

Fazit: Unverzichtbar für sichere Produktion
Chargencodierung ist weit mehr als eine technische Notwendigkeit – sie ist ein fundamentales Element moderner, verantwortungsvoller Produktion. Sie schützt Verbraucher vor fehlerhaften Produkten, sichert Unternehmen gegen Haftungsrisiken ab und optimiert Produktionsprozesse. Die gesetzlichen Anforderungen werden tendenziell strenger, und die technologischen Möglichkeiten nehmen stetig zu.
Für Unternehmen bedeutet das: Eine professionelle Chargencodierung sollte von Anfang an in die Produktionsprozesse integriert sein. Die Wahl der richtigen Kennzeichnungstechnologie – ob Inkjet-Drucker, Laser oder Etikettierung – hängt von den spezifischen Anforderungen ab. Entscheidend ist, dass die Kennzeichnung dauerhaft lesbar, gesetzeskonform und in die digitalen Systeme eingebunden ist.
In einer zunehmend vernetzten Produktionswelt wird die Rückverfolgbarkeit zum Wettbewerbsvorteil. Kunden und Geschäftspartner erwarten Transparenz. Behörden fordern Compliance. Und im Ernstfall kann eine funktionierende Chargencodierung den Unterschied zwischen einem kontrollierten Rückruf und einer existenzbedrohenden Krise ausmachen. Wer heute in zuverlässige Kennzeichnungslösungen investiert, schafft die Grundlage für nachhaltigen Erfolg in der Zukunft.
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